Dies Domini – 5. Sonntag der Osterzeit, Lesejahr B
„Meine Kinder,“ – so fordert uns die 2. Lesung des heutigen Sonntags aus dem 1. Johannesbrief auf, -„wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit.“ (1 Joh 3,18)
Vor wenigen Tagen erst beklagte im WDR ein Münsteraner Pfarrer, Franziskus stehe ja für einen Wandel in der Kirche, aber bisher „ist auch hier außer mit Worten nur wenig geschehen, jedenfalls wenig Konkretes.“ Fehlt es uns heute also an Taten, haben wir von unserm Papst nur Worte? Nun gilt ja heute sicher noch mehr als zu der Zeit, in der Stalin das Wort prägte, dass der Papst nicht über Divisionen verfügt, sondern allein mit der Macht des Wortes seine Aufgabe wahrnehmen muss.
Aber nehmen auch Kritiker des Papstes wahr, welche Anstrengung es kosten muss, zwischen so divergierenden Positionen in der Weltkirche wie etwa der Petrusbruderschaft und der Gruppe „Wir sind Kirche“ zu stehen und sich dabei weder zerreißen zu lassen, noch verrückt zu werden?
Ich glaube, wir stehen hier an einer Grundfrage nicht nur unseres Glaubens, sondern überhaupt unserer Existenz, wenn unser stetes Streben nach Eindeutigkeit uns zugleich immer stärker in Konfrontation und Auseinandersetzung führt. Thomas Bauer führt in seinem kleinen Büchlein „Die Vereindeutigung der Welt“ hellsichtig vor Augen, wie sehr die Fokussierung auf einen der beiden Pole – entweder Eindeutigkeit oder Gleichgültigkeit – menschliche Möglichkeiten reduziert und vor allem menschliche Entwicklung beschleunigt und radikalisiert. Vielleicht wäre es besser, Zweideutigkeit auszuhalten und gerade anzustreben? Peter Wust spricht von Ungewissheit und Wagnis zur Ermöglichung menschlicher Existenz — wie sollte das gehen, als Mensch zu wagen, wenn doch alles gewiss wäre?
Thomas Bauer beschreibt ein hübsches und interessantes Beispiel aus der Persienmission des 17. und 18. Jahrhunderts, wo Rücksicht auf eine einflussreiche Familie in das Dilemma der Tolerierung deren Übung der Kinderehe führte. Was tun? Hilfe sollte in Rom gefunden werden, doch der Brief bekam die Antwort, nihil esse respondendum. Ein förmlicher Beschluss, nicht zu antworten. Genial. Ein Dilemma muss man nicht unbedingt auflösen, man kann es auch einfach stehenlassen, so wie der Papst auch die zunächst vier, heute zwei, Kardinäle zu bescheiden scheint mit ihren „Dubia“. Und zumindest gibt es bisher ja auch auf die Anfrage der sieben deutschen Bischöfe hinsichtlich des Umgangs mit dem Kommunionempfang in konfessionsverschiedenen Ehen, (noch) keine wirkliche Antwort, die über eine Gesprächseinladung hinausgeht. Also scheint es, dass der Papst auch hier nicht gewillt ist zu entscheiden.
Aber ist das denn mit dem Evangelium zu verbinden? Verlangt Jesus doch an jeder Stelle Eindeutigkeit und Klarheit:
„Dein Ja sei ein Ja, Dein Nein ein Nein, alles andere ist von Übel.“ (Mt 5,37)?
Hier ist auf eine kleine Nuance des heutigen Evangeliums hinzuweisen, in der die beständige Verbindung von uns als Reben mit ihm dem Weinstock gefordert wird. Aber wir sind nicht diejenigen, die den anderen Reben ihre Andersartigkeit vorzuhalten hätten. Wir sind nämlich nicht die Winzer: „Mein Vater ist der Winzer“ und der wird dann die fruchtlosen Reben abschneiden und die fruchtbringenden reinigen. Diese Zeit bis zur Ernte ist unsere Zeit der Entwicklung, vielleicht der Ungewissheit und des Wagnisses. Hier müssen wir Zweifel, Uneindeutigkeit, eben Ambiguität aushalten. Aber auch hier erfahren wir Trost:
„Liebe Schwestern und Brüder, wenn das Herz uns aber nicht verurteilt, haben wir gegenüber Gott Zuversicht.“ (1 Joh 3,21)
Von Herzen wünsche ich Ihnen für die kommende Woche Gottes Segen, damit sie mit dem Psalmisten singen können: „Die Armen sollen essen und sich sättigen; den Herrn sollen preisen, die ihn suchen. Aufleben soll euer Herz für immer.“
Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
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